Anfechtung eines eBay-Kaufvertrages über ein Motorrad wegen Arglist

Verkehrsrecht

Die Parteien haben am 7. Januar 2012 über die Internetplattform ebay einen Kaufvertrag über das Motorrad Typ Triumph Street Triple, Baujahr 2008, zum Kaufpreis von EUR 5.145,00 geschlossen. Die ins Internet gestellte Offerte ist eine auf Abschluss des Vertrages zu den vom Anbieter genannten Konditionen gerichtete Willenserklärung, die zugleich die vorweg erklärte Annahme des Höchstgebots enthält. Mit der Abgabe des Höchstgebots kommt der Vertrag daher zu den Bedingungen zustande, die der Anbieter im Internet bekannt gemacht hat.

In diesem Vertrag vom 7. Januar 2012 war als Beschaffenheit auch ausdrücklich vereinbart, dass das Motorrad vor dem Beklagten keinen Vorbesitzer gehabt hat.

Der Beklagte hat die Anzahl der Vorbesitzer in der Internet-Plattform mit „0“ angegeben. Weist er auf eine bestimmte Beschaffenheit hin, wird diese Grundlage des Vertrages und stellt daher eine Vereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB dar.

Die Erklärung des Beklagten vom 7. Januar 2012 war objektiv falsch und entsprach auch nicht dem Kenntnisstand des Beklagten. Soweit er ausführt, noch vor Abschluss des Kaufvertrages habe er dem Kläger die italienische Zulassungsbescheinigung ausgehändigt, aus der ersichtlich sei, dass ein weiterer Voreigentümer eingetragen gewesen sei und die Anzahl „0“ in dem Kaufvertrag habe seinen Grund darin gehabt, dass das Motorrad in Deutschland noch nicht zugelassen gewesen sei bzw. in Deutschland keinen Vorbesitzer gehabt habe, greifen diese Einwände nicht durch. Der Beklagte geht mit diesem Vortrag ersichtlich davon aus, dass ein Vertrag erstmals bei Übergabe des Motorrades am 21. Januar 2012 geschlossen wurde oder der Vertrag vom 21. Januar 2012 den Vertrag vom 7. Januar 2102 ersetzte. Für eine Ersetzung des ursprünglichen Vertrages fehlt es an jeglichem substantiierten Vortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten. Abzustellen ist für die Täuschung auf den Vertragsschluss vom 7. Januar 2012. Vor diesem Zeitpunkt fanden Vertragsgespräche überhaupt nicht statt. Auch war nach Angaben des Beklagten die Anzahl der Vorbesitzer nicht Gegenstand der Vertragsgespräche vom 21. Januar 2012 gewesen. Am 7. Januar 2012 wusste er aber sicher, dass seine Angaben in der Internet-Plattform ebay falsch waren.

Diese Täuschung über die Anzahl der Vorbesitzer war für den Kläger auch ursächlich für seinen Kaufentschluss. Für den Kläger kam es nach seinen unwidersprochenen Angaben darauf an, ein gebrauchtes Motorrad Marke Triumph, Typ Street Triple zu erwerben, welches aus erster Hand kommen sowie höchstes 4 Jahre alt sein sollte. Der Verkauf aus erster Hand war ihm besonders wichtig, da mehr Vorbesitzer bei Motorrädern den Wert erheblich mindern.

Der Beklagte handelte auch arglistig. Nach Lage der Dinge ist davon auszugehen, dass der Beklagte sich der Erkenntnis, dass das Fahrzeug vor ihm weitere Vorhalter hatte, bewusst verschlossen und die Erklärung, das Fahrzeug habe keinen Vorbesitzer vor ihm gehabt, in dem Bewusstsein abgegeben hat, der Kläger werde den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht zu denselben Bedingungen abschließen, wenn er ihm offenbarte, dass das Fahrzeug vor ihm zumindest als Käufer des Jahres 2011 einen ihm unbekannten weiteren Vorbesitzer seit 2008 gehabt hatte.

Dass der Beklagte nach seinen Angaben am 7. Januar 2012 ebenso wie in der weiteren schriftlichen Erklärung vom 21. Januar 2012 lediglich erklären wollte, dass das Motorrad in Deutschland noch nicht zugelassen gewesen sei bzw. in Deutschland keinen Vorbesitzer gehabt habe, ist unbeachtlich. Über diese Vorstellung hat der Beklagte den Kläger weder mündlich noch schriftlich aufgeklärt. Ein solcher angeblicher Erklärungsgehalt ist auch nicht den Umständen zu entnehmen, er ist vielmehr höchst unwahrscheinlich bzw. fernliegend. Hat ein Verkäufer Kenntnis von der Mangelhaftigkeit der Kaufsache oder auch nur Zweifel an ihrer Fehlerfreiheit, so wird der Vorwurf der Arglist nicht ausgeräumt, wenn der Verkäufer den Kaufvertrag mit der Vorstellung schließt, der Käufer sei imstande, den Mangel zu erkennen, sich jedoch bewusst nicht um den vom Käufer beabsichtigten Verwendungszweck kümmert und es in Kauf nimmt, dass der Käufer, weil er die Prüfung unterlässt, den Vertrag abschließt, den er bei Kenntnis des Mangels nicht geschlossen hätte (vgl. BGH, 28.04.1971 - Az: VIII ZR 258/68).

Der Kläger hat die Anfechtung des Kaufvertrages vom 7. Januar 2012 auch innerhalb Jahresfrist am 12. März 2012 erklärt (§ 124 Abs. 1 BGB).

Diese Anfechtungsfrist ist auch nicht wegen der Kenntnis des Klägers von dem weiteren Vorbesitzer P.S. seit der Übergabe der Zulassungspapiere vom 21. Januar 2012 nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verkürzt.

Zwar hat der Kläger diese Tatsache nicht zum Anlass genommen, dem Beklagten mitzuteilen, dass er sich an den Vertrag nicht länger gebunden fühle. Da nach § 124 Abs. 1 BGB die Anfechtungsfrist ein Jahr beträgt, kann indessen der Anfechtungsberechtigte grundsätzlich die Jahresfrist voll ausnutzen. Für die Annahme, dass das Anfechtungsrecht vor Ablauf der Jahresfrist verwirkt sei, müssen ganz besondere Umstände vorliegen. Ein besonderer Umstand kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Gegner, obwohl die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist, mit einer Anfechtung nicht mehr zu rechnen braucht. Hierfür ist im vorliegenden Fall nichts dargetan.

Die Anfechtung ist auch nicht nach § 144 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, indem der Kläger den Kaufvertrag vom 7. Januar 2012 bestätigt hätte.

Bestätigung ist jede Erklärung des Anfechtungsberechtigten, in der sein Wille zum Ausdruck kommt, ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht auszuüben. Im Falle der arglistigen Täuschung kann der Anfechtungsberechtigte daher nur den Bestätigungswillen haben, wenn er weiß oder mindestens mit der Möglichkeit rechnet, dass der Gegner ihn bewusst getäuscht hat. Außerdem muss er wissen, dass sich aus den ihm bekannten Tatsachen für ihn ein Anfechtungsrecht ergibt. Eine Bestätigungserklärung kann auch in der Benutzung der Kaufsache liegen, doch ist nicht jede Benutzung schon eine Bestätigung, insbesondere nicht, wenn sie durch wirtschaftliche Notwendigkeit geboten war. An die Annahme einer Bestätigung nach § 144 BGB durch schlüssiges Verhalten sind strenge Anforderungen zu stellen, weil Teilnehmer am Rechtsverkehr erfahrungsgemäß nicht ohne weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten pflegen. Das Verhalten des Anfechtungsberechtigten darf nur dann als stillschweigende Kundgabe eines Bestätigungswillens gewertet werden, wenn jede andere, den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung dieses Verhaltens ausscheidet. Die Beweislast trägt der Anfechtungsgegner.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar die Zulassungspapiere, aus denen der weitere Vorbesitzer P.S. ohne weiteres ersichtlich war, bei der Übergabe des Motorrades am 21. Januar 2012 vom Beklagten erhalten. Nach Angaben des Klägers sei er bei einer Nachfrage am 21. Januar 2012 von dem Beklagten jedoch dahingehend beruhigt worden, er habe das Fahrzeug neu bei einem Triumph-Händler in Italien erworben und das Motorrad sei in Italien auf einen Onkel des Beklagten zugelassen worden. Dieser Vortrag ist nicht fernliegend, ergibt sich doch aus dem Internetvertrag vom 7. Januar 2012, dass der Beklagte dort bereits erklärt hat, „Verkaufe ich meine Triumph Street Triple, die ich neu erworben habe“ (AH 3). Der Beklagte trägt demgegenüber vor, über Vorbesitzer sei am 21. Januar 2012 überhaupt nicht gesprochen worden.

Für seinen bestrittenen Vortrag hat der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte kein Beweisangebot unterbreitet.

Auch kann nicht aus der Tatsache, dass am 21. Januar 2012 von den Parteien eine Urkunde über den Kauf unterzeichnet wurde, darauf geschlossen werden, dass der Kläger damit unmissverständlich über die tatsächliche Anzahl der Vorbesitzer aufgeklärt hätte. Denn auch in dieser Urkunde ist die Anzahl der Vorbesitzer wiederum mit „0“ angegeben (AH 7). Ein Verzicht auf die Anfechtung liegt insoweit nicht vor.

Der Kläger hat auch nicht sein Anfechtungsrecht nach § 242 BGB verloren, weil er als getäuschter Käufer das Fahrzeug in Kenntnis der Täuschung vorbehaltlos übernommen hätte wird verwiesen.

Dem Kläger ist die Rückgabe des Motorrades Zug um Zug gegen die Zahlung des Kaufpreises durch den Beklagten wegen der Sicherstellung durch die Polizei derzeit unmöglich. Er braucht, nachdem der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hat, seinen Klageanspruch nicht durch das Angebot einer Gegenleistung Zug um Zug einzuschränken. Auch war ohne eine solche Einschränkung im Antrag der Tenor nicht entsprechend zu fassen.

Zwar kann die Rückforderung, wenn es um die Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages geht, nach der Saldotheorie nur auf Ausgleich der beiderseitigen Vermögensverschiebungen gerichtet werden. Sind die Leistungen wie hier ungleichartig, muss der Bereicherungskläger die Gegenleistung schon im Klageantrag dadurch berücksichtigen, dass er ihre Rückgewähr Zug um Zug anbietet).

Zumindest unter den besonderen Umständen des konkreten Falls kann die Saldotheorie jedoch keine Geltung beanspruchen.

Da die Saldotheorie letztlich eine von der Rechtsprechung aus Billigkeitsgründen vorgenommene Gesetzeskorrektur darstellt, kann sie dann keine Geltung beanspruchen, wenn die mit ihr verbundene Bevorzugung des Bereicherungsschuldners im Einzelfall der Billigkeit widerspricht. Aus diesem Grunde lehnt der Bundesgerichtshof die uneingeschränkte Anwendung der Saldotheorie auf die Rückgewähransprüche der arglistig getäuschten Vertragspartei ab. Wer durch arglistige Täuschung einen anderen zu einem diesem nachteiligen Vertragsschluss veranlasst, begeht einen Betrug. Der Betrüger ist in der Regel nicht schutzwürdig. Das spätere Schicksal des vom Kläger gekauften Fahrzeugs bleibt daher bei der Berechnung der durch die Erlangung des Kaufpreises eingetretenen Bereicherung des Beklagten zunächst außer Betracht.

Das bedeutet allerdings nicht, dass der Täuschende unter allen Umständen verpflichtet wäre, den vollen Kaufpreis an den Getäuschten zurückzuzahlen, und dass die Tatsache, dass das Motorrad im vorliegenden Falle wegen der Sicherstellung durch die Polizei derzeit nicht zurückgegeben werden kann, überhaupt keine Rolle spielen würde. Die Unanwendbarkeit des § 254 BGB auf Bereicherungsansprüche schließt nicht aus, dass auch Bereicherungsansprüche dem allgemeinen Grundsatz des § 242 BGB unterliegen, von dem § 254 BGB nur eine gesetzlich besonders geregelte Ausprägung ist. Deshalb ist hier gemäß § 242 BGB eine Abwägung vorzunehmen unter Berücksichtigung der Täuschungshandlung des Beklagten einerseits und des Handelns des Klägers bei der Sicherstellung des Motorrades andererseits. Auf Grund dieser Abwägung ist zu unterscheiden, inwieweit der vorläufige Verlust des Fahrzeugs dem Kläger oder der Beklagten zur Last zu legen ist.

Im vorliegenden Fall hat im Verhältnis zum Kläger allein der Beklagte die Ursache dafür gesetzt, dass das Motorrad beschlagnahmt wurde. Er hat das Motorrad in Italien zusammen mit den gestohlenen Papieren erworben, nach Deutschland gebracht und hier an den Beklagten wiederum veräußert. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens bei der Zulassungsstelle Fürstenfeldbruck wurde festgestellt, dass die Fahrzeugpapiere seit 2008 entwendet waren und es sich bei dem streitgegenständlichen Motorrad Typ Triumph Street Triple um eine Dublette handelt. Dass der Kläger wegen Urkundenfälschung angeklagt wurde, ist ihm im Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang des Motorrades von dem Beklagten und der anschließenden Sicherstellung durch die Polizei nicht als schuldhaftes Verhalten gegenüber dem Beklagten vorzuwerfen. Auch ohne die Urkundenfälschung wäre das Motorrad wegen der vorangegangenen Straftaten in Italien sicher gestellt worden. Demzufolge trägt bei der Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge an der derzeitigen Unmöglichkeit einer Herausgabe des Motorrades an den Beklagten der Beklagte allein das vollständige Risiko. Eine Zug-um-Zug-Verurteilung kommt nicht in Betracht.

Der Kläger kann auch die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Motorrades angefallenen Aufwendungen für die Miete eines Anhängers und die gefahrene Kilometer in Höhe von EUR 249,08 vom Beklagten erstattet verlangen (§§ 826, 249 BGB).

Die arglistige Täuschung im Sinne von § 123 BGB bedeutet zugleich ein Verschulden bei Vertragsschluss und regelmäßig auch die Annahme einer sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB.


LG Karlsruhe, 15.05.2013 - Az: 6 O 375/12

ECLI:DE:LGKARLS:2013:0515.6O375.12.0A

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