Schadensminderungspflicht nach einem Verkehrsunfall

Verkehrsrecht

Der Grundsatz der Schadensminderungspflicht verlangt vom Geschädigten, seinen Schaden im Rahmen seiner Möglichkeiten so klein wie möglich zu halten, er darf nicht unnötig in die Höhe getrieben werden (§ 254 BGB).

Gerade bei Unfallschäden ist dieser Grundsatz von erheblicher Bedeutung, da der Geschädigte vom Schädiger nur soweit Schadensersatz fordern kann, als dieser Betrag dem kleinstmöglichen Schaden entspricht. Auf den darüber hinausgehenden unnötig entstandenen Kosten bleibt der Geschädigte ansonsten sitzen.

Was muss der Geschädigte beachten?

Der Unfallgeschädigte ist gehalten, dafür zu sorgen, dass der Schaden nicht größer als unbedingt notwendig ausfällt und muss sich wie ein wirtschaftlich vernünftig denkender Dritter verhalten. Maßgeblich sind hierbei natürlich nur die individuellen Kenntnisse bzw. Kenntnismöglichkeiten des Geschädigten.

Insoweit hat der BGH ausgeführt, der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat (BGH, 27.09.2016 - Az: VI ZR 673/15).

Der Geschädigte kann sich zur Bewertung der Schadenshöhe auf die Expertise eines unabhängigen Sachverständigen berufen und muss in diesem Fall selbst keine Marktforschung bzw. Preisvergleiche durchführen, lediglich für kleinere Schäden (unter 1.000 €) gilt dies nicht.
Ein Sachverständigengutachten kann die Reparaturkosten belastbar beziffern, auf die Richtigkeit der Angaben darf der Geschädigte vertrauen, sofern sich ein anderes nicht aufdrängt.

Darüber hinaus ist der Geschädigte verpflichtet, den Schädiger zu informieren, wenn der Schaden ungewöhnlich hoch ist bzw. werden kann. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Fahrzeug des Geschädigten einen Totalschaden erlitten hat, der Geschädigte kein Ersatzfahrzeug vorfinanzieren kann und daher bis zur Regulierung durch den Schädiger einen Mietwagen nutzen muss. Ein gleiches gilt für den Fall, dass der Geschädigte die Reparaturkosten nicht vorfinanzieren kann.

Was gilt bei der Nutzung eines Mietwagens?

Der Geschädigte hat Anspruch auf einen Mietwagen, sofern er sich gegen die Nutzungsausfallentschädigung entscheidet. Der angemietete Mietwagen muss der Klasse des eigenen, beschädigten Fahrzeugs entsprechen. Ein anderes gilt nur für den Fall, das vor Ort kein entsprechendes Fahrzeug zu Verfügung steht.

Hat der Geschädigte die Anmietung eines Mietwagens zum Unfalltarif in Unkenntnis eines günstigeren Tarifs vorgenommen und konnte der Geschädigte von dieser günstigeren Möglichkeit nichts wissen, so kann ihm dies jedoch zumindest bei einer kurzfristigen Anmietung und kurzer Mietdauer nicht entgegengehalten werden.

Bei einer längeren Anmietung dürfte es sich jedoch einem wirtschaftliche vernünftig handelnden Dritten aufdrängen, dass beispielsweise ein Langzeittarif eine finanziell sinnvollere Lösung sein dürfte.

Reparatur muss zeitnah erfolgen!

Bereits bei der Wahl der Reparaturmethode gilt, es ist die kostengünstigste Methode, die zur objektiven Schadensbehebung führt, zu wählen. Wählt der Geschädigte eine teurere Methode, so kann der Geschädigte die entstandenen Mehrkosten nicht vom Schädiger ersetzt verlangen.

Bei der Fahrzeugreparatur darf auch nicht unnötig zu viel Zeit vergehen. Eine übermäßig lange Reparaturzeit, etwa weil Ersatzteile nicht vorrätig sind oder eine zügige Reparatur in der gewählten Werkstatt nicht möglich war, muss dann vom Schädiger nicht getragen werden, wenn eine schnellere Alternative zur Verfügung gestanden hätte.

Ebenfalls kann der Geschädigte nicht zunächst die verbindliche Zahlungsbereitschaft des Schädigers bzw. dessen Versicherung abwarten, wenn anderweitige Möglichkeiten vorliegen, um bei Abschluss der Reparatur das Fahrzeug auszulösen (z.B. durch Vorstrecken der Reparaturkosten).

Dies bedeutet, dass auch in Erwägung gezogen werden muss, ggf. einen kurzfristigen Kredit aufzunehmen oder eine eventuell bestehende Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Dies ist in der Regel kostengünstiger als die längerfristige Nutzung eines Mietwagens bzw. die längere Nutzungsausfallentschädigung. Die resultierenden zusätzlichen Kosten wie z.B. Zinsen muss der Schädiger natürlich ausgleichen.

Wenn gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen wurde

Verstößt der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht, so trifft ihn eine Mitschuld am Schaden. In diesem Fall kann eine Kürzung der Schadensregulierung erfolgen, im Extremfall kann dies sogar dazu führen, dass gar keine Schadensregulierung mehr erfolgen muss.

Will der Schädiger den Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht machen, so muss er alle Tatsachen und Umstände hierzu darlegen und beweisen können. Es können also keine Behauptungen „ins Blaue hinein“ gemacht werden. Umstände, die alleine in der persönlichen Sphäre des Geschädigten liegen, muss dieser aber dann ggf. offenbaren. Dies bedeutet, dass der Geschädigte eine ggf. bestehende Kreditunfähigkeit zur Vorfinanzierung oder das Nichtbestehen einer Vollkaskoversicherung beweisen (können) muss.

Mit anderen Worten: Als Geschädigter darf man nicht einfach abwarten, dass der Schädiger tätig wird. Der Geschädigte muss durchaus selbst aktiv werden, ggf. unter Inanspruchnahme eines im Verkehrsrecht versierten Rechtsanwalts.

Letzte Änderung: 04.01.2024

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