Sichtfahrgebot: Wichtige Regeln zum Fahren auf Sicht und die Konsequenzen bei Verstößen

Verkehrsrecht

Der Grundsatz des Sichtfahrgebotes lässt sich einfach zusammenfassen:

Ein Verkehrsteilnehmer darf nur so schnell fahren, dass er (noch) in der Lage ist, sein Fahrzeug jederzeit innerhalb der übersehbaren Fahrstrecke zum Stehen zu bringen.

Hierbei sind die Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Witterungsverhältnisse, technische Einrichtungen der Fahrzeuge und auch die persönlichen Fähigkeiten des Fahrers zu berücksichtigen.

Der Sichtgrundsatz soll u.a. davor schützen, auf Hindernisse aufzufahren. Man muss also „auf Sicht“ fahren. Seine rechtliche Grundlage findet dieses Gebot im § 3 Abs. 1 StVO.

Das Sichtfahrgebot gilt selbstverständlich nicht nur für Kraftfahrzeuge sondern für alle Verkehrsteilnehmer.

Geschwindigkeit muss angepasst werden!

Dieses Gebot impliziert eine automatische Geschwindigkeitsgrenze, wenn schlechte Sichtverhältnisse wie Nebel, Starkregen oder Dunkelheit es einem Verkehrsteilnehmer unmöglich machen, das Fahrzeug beim Ausreizen der Geschwindigkeitsbeschränkung rechtzeitig zum Stillstand zu bringen. Ein gleiches gilt natürlich auch bei schlecht einsehbaren Kurven u.ä..

Die Geschwindigkeit ist also unabhängig von der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit so einzurichten, dass der Fahrer im Bereich einer überschaubaren und durch Abblendlicht ausgeleuchteten Strecke auch vor unbeleuchteten Hindernissen abbremsen oder ausweichen kann.

Das Sichtfahrgebot ist grundsätzlich auf den eigenen Fahrstreifen beschränkt (OLG Dresden, 09.05.2017 - Az: 4 U 1596/16) und bezieht sich nur auf Hindernisse, die ein Kraftfahrer in der konkreten Situation in Rechnung stellen muss; es gilt nicht für plötzlich von der Seite auf die Fahrbahn gelangende Hindernisse, sondern betrifft die Sicht vor dem Fahrzeug (KG, 18.09.2010 - Az: 12 W 24/10).

So hat u.a. das OLG Hamm entschieden, dass bei einer Sichtweite bei Dunkelheit von max. 30 m mit Abblendlicht die Geschwindigkeit des Fahrzeugs max. 46 km/h betragen darf (OLG Hamm, 25.04.2006 - Az: 9 U 7/05).

Das OLG Köln hat entschieden, dass bei zusätzlich regennasser Straße verringert sich die Geschwindigkeit bereits auf max. 40 km/h verringert – auch auf einer geraden Landstraße (OLG Köln, 10.12.2002 - Az: 3 U 56/02). Auf der Autobahn sind dies hingegen oftmals Werte zwischen 80 und 90 km/h.

Natürlich sind dies nur Beispiele, es kommt jeweils auf den Einzelfall und den sich konkret ergebenden Bremsweg an.

Verstoß kann zur Mithaftung bei Unfall führen

Die Rechtsprechung hat stets betont, dass es sich um eine selbstverständliche Verpflichtung eines Kraftfahrers handelt, auf Sicht zu fahren. Dabei macht es bezüglich des Verschuldens des Kraftfahrers keinen Unterschied, ob es infolge Unachtsamkeit oder wegen eines zu schnellen Fahrens im Hinblick auf die überschaubare Strecke zu einem Auffahren selbst auf ein unbeleuchtetes, ggf. haltenden bzw. stehenden Hindernis kommt.

Ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot hat erhebliche Folgen, bei einem Unfall kommt es zumindest zu einer Mitschuld - auch dann, wenn dem Fahrer ansonsten kein Verschulden anzulasten wäre.

Je stärker die Geschwindigkeit über dem rechnerischen Maximum lag, desto größer wird das Mitverschulden angerechnet werden.

In der Praxis sind dies oftmals Werte zwischen 20 und 70 Prozent. Denn ein Verkehrsteilnehmer muss jederzeit mit Fahrbahnhindernissen - z.B. schlecht oder gar nicht beleuchtete Fahrzeuge oder Radfahrer - rechnen, und zwar innerorts auch ohne Schreckzeit.

Ausnahme bei unabwendbarem Ereignis

Eine Ausnahme von der Regel des Mitverschuldens gibt es jedoch. Handelt es sich bei dem Schadensereignis um ein sogenanntes „unabwendbares Ereignis“, so besteht trotz Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot keine Mithaftung.

Es bestand schließlich dahingehend, so langsam zu fahren, dass vor jedwedem (plötzlich) auftauchenden Hindernis noch rechtzeitig gestoppt werden kann.

Der erforderliche Nachweis ist jedoch nicht einfach und nicht immer erfolgversprechend.

Ausnahmen vom Sichtfahrgebot gelten nämlich nur für solche Fallgestaltungen, in denen wegen fehlender Kontraste zur Fahrbahn oder hoher Lichtabsorption die Hindernisse ungewöhnlich schwer zu erkennen sind.

Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein nicht kenntlich gemachter Baumstamm weit nach hinten aus einem unbeleuchteten Anhänger herausragt oder wenn sich ein nicht kenntlich gemachter und nicht beleuchteter Splithaufen auf der Fahrbahn befindet oder wenn ein Reserverad bzw. eine Reifenkarkasse auf der Autobahn liegt (AG Arnstadt, 17.06.2015 - Az: 22 C 276/14).

Es genügt in der Regel nicht, wenn das Hindernis unbeleuchtet war und es dunkel war (u.a. LG Essen, 25.11.2010 - Az: 12 O 176/04). Ein Fahrer muss auch nachts mit unbeleuchteten Hindernissen rechnen (OLG Hamm, 15.01.2019 - Az: 7 U 38/18).

Letzte Änderung: 13.09.2023

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