Gesetz zur europaweiten Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen tritt in Kraft

Verkehrsrecht

Am 27.10.2010 ist das "Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (nachstehend kurz: EuGeldG) im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Es tritt am 28.10.2010 in Kraft.

Das Bundesjustizministerium beantwortet Ihnen die wichtigsten Fragen:
Mit dem EuGeldG wurde der europäische Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen in Deutschland umgesetzt. Die Umsetzung erfolgt durch Regelungen im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG). Ziel ist die grenzüberschreitende Voll­streckung von Geldstrafen und Geldbußen in der Europäischen Union. Das gilt für Geldsanktionen, die in Deutschland verhängt werden, ebenso wie für ausländische Sanktionen. D. h.: Entscheidungen anderer EU-Mitgliedstaaten über die Verhängung von Geldstrafen und Geldbußen einschließlich Verfahrenskosten, Entschädigungen für das Opfer und Geldauflagen für Opferunterstützungsorganisationen sind jetzt grundsätzlich anzuerkennen und in Deutschland zu vollstrecken. Dies gilt für gerichtliche und behördliche Entscheidungen, für letztere allerdings nur, wenn sie vor einem auch für Strafsachen zuständigen Gericht angefochten werden können. Die Sanktionen können sich sowohl gegen natürliche als auch juristische Personen wie etwa Unternehmen richten. Bereits nach bisher geltender Rechtslage konnten ausländische Geldstrafen und Geldbußen in Deutschland vollstreckt werden. In der Praxis fand allerdings wegen des damit verbundenen formalen Aufwands eine Übernahme der Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen nahezu nicht statt. Eine funktionierende, auch die Vollstreckung von Sanktionen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten einschließende bilaterale Regelung existierte lediglich im Verhältnis zu Österreich.
Wer sich in einer fremden Rechtsordnung bewegt, muss sich gemäß dieser Rechtsordnung verhalten. Wer also bei­spielsweise in einem anderen Staat Auto fährt, muss die dortigen Straßenverkehrsregeln beachten. Mit der Umsetzung des Rahmenbeschlusses sinkt die Chance für jeweils ausländische Täter, sich einer verhängten Sanktion zu entziehen. Für Deutschland wird dadurch unter anderem eine höhere Sicherheit auf unseren Straßen erwartet. Denn Verkehrsverstöße können nun konsequent auch dann geahndet werden, wenn die verursachende Person aus dem europäischen Ausland stammt. Aber auch im Bereich von anderen Sanktionen, die z. B. aufgrund von Betrügereien oder Diebstählen, von Umweltverstößen oder Verstößen gegen das Schwarzarbeitsgesetz verhängt werden, wird das EuGeldG eine wichtige Rolle spielen. Gleichermaßen haben auch die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die den Rahmenbeschluss umgesetzt haben, ein Interesse daran, etwaige Rechtsverstöße zu ahnden, die in ihrem Land durch ausländische Personen begangen werden. Das EuGeldG ermöglicht dies.
Ja. Mit Deutschland wenden inzwischen 22 Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Rahmenbeschluss an.
Grundsätzlich ist das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn für die Prüfung der Zulässigkeit, die Bewilligung und die Vollstreckung der Geldsanktionen zuständig. Etwas anderes gilt dann, wenn eine Geldstrafe gegen Jugendliche oder gleichgestellte Heranwachsende vollstreckt werden soll. Auf Antrag des BfJ entscheidet in diesen Fällen das zuständige Amtsgericht über die Zulässigkeit der Vollstreckung. Das BfJ hat die Vollstreckung nur noch nach Maßga­be der gerichtlichen Entscheidung zu bewilligen. Auch die Vollstreckung von Geldsanktionen gegen juristische Personen und zur Opferentschädigung muss auf Antrag des BfJ durch ein Gericht für zulässig erklärt werden. Erhebt die betroffene Person Einspruch gegen den Bewilligungsbescheid, entscheidet ebenfalls das Amtsgericht (s. dazu unter Frage 9).
Das Bundesamt für Justiz (BfJ) muss die Vollstreckung insbesondere ablehnen, wenn
  • die verhängte Geldsanktion einen Betrag von 70 Euro nicht erreicht,
  • die betroffene Person wegen der Tat im Inland verfolgt und gegen sie bereits eine verfahrensabschließende Entscheidung ergangen ist ("ne bis in idem"),
  • für die der Entscheidung zugrundeliegende Tat auch die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist und die Vollstreckung nach deutschem Recht bereits verjährt ist,
  • die betroffene Person nach deutschem Recht aufgrund ihres Alters strafrechtlich nicht verantwortlich handelte (Strafunmündigkeit) oder strafrechtliche Immunität genießt,
  • im Falle eines schriftlichen Verfahrens die betroffene Person nicht über ihre Möglichkeiten zur Anfechtung und bestehende Fristen informiert wurde,
  • im Falle von Abwesenheitsurteilen die betroffene Person nicht die Möglichkeit hatte, sich in einem mündlichen Termin zu äußern,
  • die betroffene Person in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich zu sein, und sie dies gegenüber der Bewilligungsbehörde (also ggü. dem BfJ) geltend macht.
Prinzipiell nein. Das Bundesamt für Justiz hat ein ausländisches Ersuchen zurückzuweisen, wenn gegen die be­troffene Person eine Sanktion vollstreckt werden soll, ohne dass es auf ihr Verschulden ankam. Dies betrifft insbe­sondere die Fälle der sogenannten Kfz-Halterhaftung, bei denen ein Fahrzeughalter sanktionsrechtlich in An­spruch genommen wird, auch wenn nicht erwiesen ist, dass er selbst den Verkehrsverstoß begangen hat. Die be­troffene Person muss in diesen Fällen jedoch dem BfJ mitteilen, dass sie nicht verantwortlich ist, weil ein Fall der Halterhaftung vorliegt und (s. Frage 5, letzter Anstrich).
Vorgesehen ist eine Stichtagsregelung, die auf das Datum vom 27. Oktober 2010 abstellt. Die Stichtagsregelung ist bedeutsam für den Zeitpunkt des Erlasses der ausländischen behördlichen Entscheidung bzw. den Eintritt der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung. Ausländische behördliche Entscheidungen dürfen danach nur vollstreckt werden, wenn sie nach dem 27. Oktober 2010 erlassen wurden, bzw. - bei gerichtlichen Entscheidungen - nach diesem Zeitpunkt rechtskräftig wurden.
Ab Inkrafttreten des EuGeldG können Sie nicht mehr darauf vertrauen, dass eine Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen kaum vorkommt. Ob und wie sie sich gegen eine Geldsanktion zur Wehr setzen sollten, hängt vom Einzelfall ab. Auch, ob eine Anreise in das Ausland zur Geltendmachung Ihrer Einwände gegen eine verhängte Geldsanktion notwendig ist, lässt sich nicht allgemeingültig sagen, sondern hängt von der Verfahrensordnung des jeweiligen ausländischen Staates ab. Gegebenfalls bietet es sich an, sich anwaltlich beraten zu lassen. Grundsätzlich gilt, dass etwaige Einwände gegenüber der Behörde, die die Sanktion verhängt hat, in der jeweiligen Landes­sprache vorzubringen sind - oder jedenfalls in einer Sprache, die von dem betreffenden Staat ggf. ebenfalls akzeptiert wird (z. B. Englisch). In Deutschland gilt: Amtssprache ist deutsch! Ausländische Personen müssen sich hier also in deutsch gegen etwaige Sanktionen zur Wehr setzen. Allerdings müssen ausländische gerichtliche oder behördliche Bescheide, die schriftlich zugestellt werden, ihrem wesentlichen Inhalt nach übersetzt sein. Schreiben aus dem Ausland müssten also eine deutsche Übersetzung zumindest der Kernaussagen enthalten. Ist das nicht der Fall, kommt eine Vollstreckung nicht in Betracht.
Betroffene können gegen den Bewilligungsbescheid innerhalb einer Frist von zwei Wochen Einspruch einlegen. Das Verfahren wird dann, sofern das Bundesamt für Justiz nicht abhilft, an das für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständige Amtsgericht abgegeben. Das Gericht prüft zunächst die Zulässigkeit des Einspruchs (Form und Frist). Hält es den Einspruch für unzulässig, verwirft es ihn durch Beschluss. Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Andernfalls überprüft das Gericht die Bewilligungsentscheidung im Hinblick auf die Zulässigkeit und die Bewilligungsfähigkeit des Ersuchens. Die Richtigkeit der zu vollstreckenden ausländischen Entscheidung wird dabei nicht über­prüft. Hält das Gericht den Einspruch zwar für zulässig, aber für unbegründet, weist es den Einspruch zurück. Hiergegen kann die betroffene Person - in Anlehnung an das System des Ordnungswidrigkeitenrechts - Rechtsbeschwerde vor dem Oberlandesgericht einlegen. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, wenn die Überprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten oder wenn der amtsge­richtliche Beschluss wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist.
Elementar für die Durchführung eines Bußgeld- oder Strafverfahrens ist die Möglichkeit für die betroffene Person, zu dem ihr vorgeworfenen Verhalten Stellung nehmen zu können, bevor eine Sanktion gegen sie ausgesprochen wird (sogenanntes "rechtliches Gehör"). Wurde der betroffenen Person oder ihrem Rechtsbeistand in dem ausländischen Verfahren weder schriftlich noch mündlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und ist dies der Vollstreckungsbehörde erkennbar, scheidet die Vollstreckung der Geldsanktion in Deutschland aus.
Vor einer Bewilligungsentscheidung hört das Bundesamt für Justiz die betroffene Person an und gibt ihr Gelegenheit, binnen zwei Wochen nach Zugang des Anhörungsschreibens Stellung zu nehmen.
Die Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung ist grundsätzlich zulässig, solange sie nach dem Recht des ersuchenden Staates nicht verjährt ist. Die Verjährung nach deutschem Recht spielt nur dann eine Rolle, wenn auch eine inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die in Frage stehende Tat sowohl im Ausland als auch im Inland begangen wurde (z. B.: grenzüberschreitender Verkehrsverstoß).
Die Festlegung der Geldsanktionshöhe wird grundsätzlich in Deutschland akzeptiert; d. h. es können ausländische Bescheide vollstreckt werden, die in dieser Höhe für dasselbe Verhalten in Deutschland nicht ergangen wären. Eine Anpassung an das innerstaatliche Höchstmaß findet ausnahmsweise nur dann statt, wenn die Tat, wegen der der Bußgeldbescheid erlassen wurde, nicht auf dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begangen wurde, und für diese Tat auch eine inländische Gerichtsbarkeit besteht (vorstellbar etwa bei grenzüberschreitenden Umweltverstößen, bei denen ein Schaden auch in Deutschland eintritt).

Veröffentlicht: 27.10.2010

Quelle: PM des BMJ

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