Bahnsteig muss geräumt sein - ansonsten liegt ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht vor

Reiserecht

Im vorliegenden Fall war ein 16-jähriger Schüler über die Bahnsteigkante gestürzt und mit dem linken Fuß unter einen bereits fahrenden Nahverkehrszug geraten. Dem Schüler musste infolge des Unfalls der überwiegende Teil des linken Fußes amputiert werden. Vor Gericht ging es nun um die Frage, ob ihm Schadensersatz und Schmerzensgeld zustehen und ob die DB Regio AG, die DB Netz AG und die DB Station u. Service AG, die für den Betrieb der Eisenbahnfahrzeuge bzw. die Vorhaltung des Schienennetzes sowie den Betrieb der Bahnhöfe verantwortlich sind, für in Zukunft noch entstehende Schäden haften.

Der Kläger forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von über 60.000 Euro. Das Landgericht gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 35.000 Euro sowie Schadenersatzes in Höhe von 3.317,65 Euro. Zudem sind die Beklagten verpflichtet, dem Kläger 2/3 aller zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Vorliegend ergab die Beweisaufnahme, dass der benutzte Bahnsteig zum Unfallzeitpunkt nur zum Teil geräumt war. Konkret war der Bahnsteig bis zu der auf dem Boden angebrachten Sicherheitslinie, die sich in einer Entfernung von etwa einem Meter von der Bahnsteigkante befinde, – wenn auch der genaue Zustand im Detail zwischen den Parteien streitig blieb – geräumt. Der Bereich von der Sicherheitslinie hin zur Bahnsteigkante war nicht geräumt - dies stellt nach Ansicht des Gerichts einen die Haftung begründenden Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht dar. Das beauftragte Drittunternehmen hat nicht die erforderlichen, möglichen und auch zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den Bahnsteig bei den zum Unfallzeitpunkt vorherrschenden winterlichen Verhältnissen in einem verkehrssicheren Zustand zu halten.

Die auf den Bahnsteigen angebrachten weißen Linien dienen als Warnzeichen in einer Entfernung von jedenfalls nicht mehr als einem Meter vor der Bahnsteigkante, um für Zugreisende den gefährlichen Bereich unmittelbar neben der Bahnsteigkante kenntlich zu machen. Auf diese Weise soll generell vor den Gefahren in der Nähe der Bahnsteigkante durch ein- oder anfahrende Züge bzw. auch durch die ansonsten ungesicherte Bahnsteigkante selbst, z.B. erhöhte Gefahren im Falle eines Sturzes, gewarnt werden. Es genügt deshalb bei winterlichen Verhältnissen nicht, ausschließlich den Bereich vor der weißen Linie zu räumen und den Bereich von der weißen Linie bis zur Bahnsteigkante in ungeräumtem Zustand zu belassen.

Die Beklagten haften somit als Gesamtschuldner. Der Kläger muss sich jedoch ein Mitverschulden in Höhe von 1/3 anrechnen lassen, da er den gefährlichen Zustand des Bahnsteiges und das Anrollen des Zuges hätte erkennen können.


LG Nürnberg-Fürth, 18.05.2011 - Az: 2 O 8329/10

Verfahrensgang:
OLG Nürnberg, 09.05.2012 - Az: 12 U 1247/11
BGH, 02.07.2013 - Az: VI ZR 263/12 (Revision zurückgewiesen)

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