Pauschalreisevertrag und die Obliegenheit zur Anzeige eines Reisemangels

Reiserecht

Hat der Reiseveranstalter den Reisenden nicht ordnungsgemäß auf seine Obliegenheit hingewiesen, ihm einen Reisemangel anzuzeigen, wird vermutet, dass der Reisende die Mangelanzeige nicht schuldhaft versäumt hat.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die dem Reisenden übermittelte zweiseitige Reisebestätigung enthielt in der Fußzeile jeder Seite folgenden Text:

"Die Reisebedingungen wurden anerkannt und sind Vertragsinhalt. Wegen der Obliegenheiten der Kunden bei Leistungsmängeln ... wird auf Ziff. 12 und 14 der Reisebedingungen hingewiesen. Unsere Reiseleistungen unterliegen gem. § 25 UStG der Margenbesteuerung. Es wird keine MwSt auf Reiseleistungen ausgewiesen. Es gilt eine 'Sonderregelung für Reisebüros'. ..."

Unmittelbar im Anschluss hieran waren in der gleichen Schrifttype und -größe die Adresse des Veranstalters, die Kontaktdaten des Kundenservice und der Reisebüro-Hotline sowie die Umsatzsteueridentifikationsnummer, die Handelsregisternummer und die Namen der Geschäftsführer abgedruckt.

Nach § 651c Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ist die Reise in diesem Sinne mangelhaft, mindert sich gemäß § 651d Abs. 1 BGB für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3 BGB.

Die Minderung des Reisepreises tritt nach § 651d Abs. 2 BGB nicht ein, soweit es der Reisende schuldhaft unterlässt, den Mangel anzuzeigen. Das Berufungsgericht hat ein Verschulden des Klägers zutreffend verneint, weil die Beklagte ihn pflichtwidrig nicht ordnungsgemäß auf seine Obliegenheit zur Mangelanzeige hingewiesen hatte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird, wenn der Reiseveranstalter seine Pflicht zum Hinweis auf die in § 651g Abs. 1 BGB normierte Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Reisevertrag nicht erfüllt hat, widerleglich vermutet, dass die Fristversäumung des Reisenden entschuldigt ist (BGH, 12.6.2007 - Az: X ZR 87/06). Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass dies entsprechend für die Pflicht des Reiseveranstalters gilt, den Reisenden auf seine Obliegenheit nach § 651d Abs. 2 BGB zur Anzeige aufgetretener Reisemängel hinzuweisen.

Nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV und nach § 651a Abs. 3 BGB muss die Reisebestätigung, die der Reiseveranstalter dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss auszuhändigen hat (§ 6 Abs. 1 BGB-InfoV), unter anderem Angaben über die Obliegenheit des Reisenden enthalten, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen.

Die Angaben in der Reisebestätigung beschränken sich demgegenüber auf einen Hinweis auf die Existenz von Obliegenheiten des Kunden bei Reisemängeln, ohne diese näher zu erläutern und entsprechen damit nicht den Anforderungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV.

Zwar kann der Reiseveranstalter nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV seine Verpflichtungen nach Absatz 2 dieser Bestimmung auch dadurch erfüllen, dass er auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben verweist, die den Anforderungen nach Absatz 2 entsprechen. Das Berufungsgericht hat aber zutreffend angenommen, dass der Veranstalter vorliegend auch nicht auf diese Art seine Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist erfüllt hat.

Es fehlt schon an einer inhaltlich ausreichenden Verweisung auf den Prospekt.

Dafür genügt nicht ein allgemeiner Hinweis auf die entsprechende Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters, wie er in der dem Reisenden übermittelten Reisebestätigung enthalten war.

Eine Verweisung im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV, welche die komplette Information über die Obliegenheit zur Mangelanzeige nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV ersetzt, muss neben dem Hinweis auf die Existenz von Obliegenheiten bei Leistungsmängeln deren Fundstelle im Prospekt enthalten. Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt.

Ob - wie der Veranstalter geltend macht - die Angabe der genauen Fundstelle der einschlägigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Prospekt entbehrlich sein kann, wenn der Reiseveranstalter nicht nur pauschal auf diese Bedingungen verweist, sondern - wie im Streitfall - ausdrücklich die Nummer der betreffenden Regelung in den Reisebedingungen nennt, kann dabei offen bleiben. Denn jedenfalls muss der Reisende darauf hingewiesen werden, dass er die in Bezug genommenen Bestimmungen der Reisebedingungen in dem Prospekt des Reiseveranstalters findet.

Unabhängig von ihrem Inhalt entsprach die Verweisung - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - auch ihrer Form nach nicht den maßgeblichen Anforderungen.

Ein Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen muss hinreichend deutlich und bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit des Kunden ohne weiteres erkennbar sein. Die Verweisung auf die Reisebedingungen des Veranstalters ist in einer im Vergleich zum sonstigen Text der Reisebestätigung deutlich kleineren Schriftgröße gedruckt und von den weiteren Angaben zu dem Veranstalter in den Fußzeilen des Dokuments, die keinen Bezug zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben, weder durch das Schriftbild noch sonst optisch abgesetzt.

Aufgrund dieser Anordnung von Angaben unterschiedlicher Art und Bedeutung in der Fußzeile und des Kleindrucks tritt die Verweisung in den Hintergrund und ist für den Kunden nicht ohne weiteres als bedeutsame Information über die für den von ihm abgeschlossenen Reisevertrag geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen erkennbar.

Soweit der Veranstalter geltend macht, der Kunde werde in der Reisebestätigung ausdrücklich aufgefordert, die darin enthaltenen Angaben besonders sorgfältig zu prüfen, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Mit dieser Prüfung soll der Reisende laut Reisebestätigung etwaige Abweichungen zu seiner Buchung feststellen.

Damit bezieht sich die Aufforderung zur Prüfung erkennbar lediglich auf die die konkrete Buchung betreffenden Daten, wie die Namen der Reisenden, die Reisezeiten und die gewählte Unterkunft. Diese Angaben sind auf der Reisebestätigung besonders dadurch hervorgehoben, dass sie in einem mit "Rechnung und Bestätigung" überschriebenen Kasten enthalten sind. Auch dies trägt dazu bei, dass die außerhalb dieses Kastens befindliche Verweisung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht als solche erkennbar ist.

Wegen des unzureichenden Hinweises des Veranstalters auf die Obliegenheit zur Mangelanzeige kann der Reisende vorliegend auch für die vor dem 9. August 2014 aufgetretenen Reisemängel eine Minderung des Reisepreises verlangen, weil er es ohne Verschulden unterlassen hat, die Mängel früher anzuzeigen.

Eine schuldhafte Unterlassung der Obliegenheit zur Mangelanzeige nach § 651d Abs. 2 BGB scheidet aus, wenn der Reisende die Obliegenheit nicht kannte und auch nicht kennen musste. Dies wird zugunsten des Reisenden widerleglich vermutet, wenn er - wie hier - vom Reiseveranstalter nicht ordnungsgemäß auf die Obliegenheit hingewiesen worden ist.

Diese Vermutung folgt aus der in § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV und § 651a Abs. 3 BGB zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, dass die Reisenden in der Regel nicht wissen, dass das Unterlassen einer Mangelanzeige zum Ausschluss von Minderungsansprüchen führen kann, und deshalb zu ihrem Schutz der Belehrung darüber bedürfen.


BGH, 21.02.2017 - Az: X ZR 49/16

ECLI:DE:BGH:2017:210217UXZR49.16.0

Quelle: PM des BGH

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