Mangel an Enteisungsmitteln ist kein außergewöhnlicher Umstand

Reiserecht

1. Der Ausgleichsanspruch steht gemäß der klaren Regelung in Art. 5 i.V.m. Art. 7 FluggastrechteVO dem Fluggast zu. Die FluggastrechteVO  stellt mithin auf den zu befördernden Passagier ab und nicht auf vertragliche Beziehungen.

2. Die behaupteten Wetterbedingungen im Sinne des Erwägungsgrundes 14 FluggastrechteVO führen nicht schon zur Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes, da diese als solche unstreitig durch Einsatz von Enteisungsmitteln beherrschbar waren. Indessen ist auch der dargelegte Mangel an Enteisungsmitteln nicht als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO anzusehen. Als außergewöhnliche Umstände können nur solche Risiken angesehen werden, die nicht in die beherrschbare betriebliche Sphäre des Luftfahrtunternehmens fallen.
Dass die vorliegende Situation nicht beherrschbar in diesem Sinne war dadurch, dass durch gehörige organisatorische und logistische Maßnahmen bei größtmöglicher Anstrengung und Aufbietung aller zur Verfügung stehenden zumutbaren Möglichkeiten eine umfassende und rechtzeitige Versorgung des Flughafens mit Enteisungsmitteln nicht sichergestellt werden konnte, hat die gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO  darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend konkret dargetan. Dem Luftverkehrsunternehmen obliegt es, darzulegen und zu beweisen, dass es auch unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, ohne nicht tragbare Opfer die außergewöhnlichen Umstände zu vermeiden, mit denen es konfrontiert war und die zur Annullierung des Fluges geführt haben. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die unstreitig fehlende Verfügbarkeit von Enteisungsmitteln nicht schon als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden.
Der Einwand, die Enteisung werde am Flughafen Berlin-Schönefeld nicht durch die jeweiligen Luftfahrtunternehmen selbst vorgenommen, sondern zentral von dem dortigen Flughafenbetreiber; ein etwaiges Verschulden der Flughafenbetreiberin habe sich die Fluggesellschaft nicht zurechnen zu lassen, da der Flughafenbetreiber nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten anzusehen sei, geht ins Leere. Vorliegend standen mit der Notwendigkeit zur Enteisung der Flugzeuge Tätigkeiten infrage, die unmittelbar der gegenüber den Fluggästen vertraglich geschuldeten Ausführungshandlung der Fluggesellschaft dienten. Die Enteisung des Flugzeuges diente unmittelbar der normalen betrieblichen Tätigkeit der Fluggesellschaft und ihrer Verpflichtung, das Fluggerät technisch in einem flugbereiten Zustand zu halten oder in einen solchen zu versetzen, um die Fluggäste zum vereinbarten Zeitpunkt befördern zu können, und nicht etwa nur dem Ablauf des allgemeinen Flugverkehrs auf dem Flughafen. Der Flughafenbetreiber wurde damit unmittelbar im maßgeblichen Pflichtenkreis der Beklagten tätig mit der Folge, dass sein Verhalten der Beklagten nach dem Rechtsgedanken des § 278 BGB zuzurechnen ist.

3. Hinsichtlich der Höhe des Schadenersatzanspruch ist auf einen Flug abzustellen.  Von vergleichbaren Bedingungen i.S.v. Art. 8 Abs. 1 lit. b oder c VO (EG) Nr. 261/2004 ist bei einer Beförderung mittels Bahn statt Flugzeug nicht auszugehen.


LG Köln, 09.04.2013 - Az: 11 S 241/12

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