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Luftraumschließung nach Vulkanausbruch und die Fluggastrechte

Reiserecht

Ein Luftfahrtunternehmen muss Fluggäste, deren Flug aufgrund außergewöhnlicher Umstände wie der Schließung des Luftraums nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull annulliert wurde, betreuen.

Das Unionsrecht sieht keine zeitliche oder finanzielle Begrenzung dieser Pflicht zur Betreuung der Fluggäste (Unterbringung, Mahlzeiten, Erfrischungen) vor.

Wird ein Flug annulliert, ist das Luftfahrtunternehmen nach dem Unionsrecht zu Betreuungs- und Ausgleichsleistungen gegenüber den betroffenen Fluggästen verpflichtet. Im Rahmen der Betreuungspflicht muss das Luftfahrtunternehmen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit Erfrischungen und Mahlzeiten sowie gegebenenfalls eine Hotelunterbringung, die Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung und Kommunikationsmöglichkeiten mit Dritten unentgeltlich bereitstellen. Dieser Pflicht muss das Luftfahrtunternehmen auch dann nachkommen, wenn die Annullierung des Fluges auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, d. h. solche, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Ausgleichspflicht trifft das Luftfahrtunternehmen dagegen nicht, wenn es nachweisen kann, dass die Flugannullierung solchen Umständen geschuldet ist.

Nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull wurde der Luftraum mehrerer Mitgliedstaaten, so auch der Luftraum über Irland, vom 15. bis zum 22. April 2010 wegen der Gefahren für die Luftfahrzeuge geschlossen.

Frau McDonagh gehörte zu den Fluggästen, die auf den für den 17. April 2010 vorgesehenen Flug von Faro nach Dublin gebucht waren, der nach dem Vulkanausbruch annulliert wurde. Die Flüge zwischen Irland und dem europäischen Kontinent wurden erst am 22. April 2010 wieder aufgenommen, und Frau McDonagh konnte schließlich erst am 24. April 2010 nach Irland zurückkehren. In dem betreffenden Zeitraum wurde Frau McDonagh von Ryanair nicht betreut. Sie begehrt daher von Ryanair eine Entschädigung in Höhe von fast 1 130 Euro, dem Betrag der ihr vom 17. bis zum 24. April 2010 entstandenen Kosten für Mahlzeiten, Erfrischungen, Unterbringung und Beförderung.

Der mit dem Rechtsstreit befasste Dublin Metropolitan District Court (Irland) möchte vom Gerichtshof wissen, ob es sich bei der Schließung des Luftraums wegen eines Vulkanausbruchs um „außergewöhnliche Umstände“ handelt, mit der Folge, dass das Luftfahrtunternehmen zur Betreuung der Fluggäste verpflichtet ist, oder ob darin vielmehr Umstände zu sehen sind, die über „außergewöhnliche Umstände“ hinausgehen, so dass das Luftfahrtunternehmen von seiner Fluggastbetreuungspflicht freigestellt ist. Für den Fall, dass der Gerichtshof erkennen sollte, dass solche Umstände tatsächlich unter den Begriff der außergewöhnlichen Umstände fallen, wird er außerdem auch um Entscheidung darüber ersucht, ob in einem solchen Fall die Betreuungspflicht zeitlich und/oder finanziell zu begrenzen ist.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass das Unionsrecht über die „außergewöhnlichen Umstände“ hinaus keine gesonderte Kategorie von „besonders außergewöhnlichen“ Vorkommnissen anerkennt, aufgrund deren die Luftfahrtunternehmen von allen ihren Verpflichtungen aus der in Rede stehenden Verordnung einschließlich der Betreuungspflicht freigestellt würden. Wenn nämlich Umstände wie diejenigen, um die es hier geht, wegen ihrer Ursache und Tragweite aus dem begrifflichen Rahmen der außergewöhnlichen Umstände fielen, hätte dies zur Folge, dass die Luftfahrtunternehmen die Betreuungsleistungen nach dieser Verordnung nur gegenüber Fluggästen erbringen müssten, deren Lage infolge einer Flugannullierung begrenzt unangenehm ist. Fluggästen, die sich insoweit in einer besonders prekären Lage befinden, als sie gezwungen sind, mehrere Tage an einem Flughafen zu verweilen, bliebe dieser Schutz dagegen vorenthalten. Der Gerichtshof antwortet daher, dass Umstände wie die Schließung eines Teils des europäischen Luftraums nach einem Vulkanausbruch wie dem des Eyjafjallajökull „außergewöhnliche Umstände“ darstellen, die die Luftfahrtunternehmen nicht von ihrer Betreuungspflicht entbinden.

Sodann stellt der Gerichtshof klar, dass die Verordnung keinerlei Begrenzung, ob zeitlicher oder finanzieller Art, der Pflicht zur Betreuung der Fluggäste vorsieht, deren Flug wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert wurde. Dem Luftfahrtunternehmen obliegen daher alle Betreuungspflichten gegenüber den betroffenen Fluggästen während des gesamten Zeitraums, in dem diese auf ihre anderweitige Beförderung warten müssen. Der Gerichtshof betont, dass sich die Betreuung der Fluggäste beim Eintritt „außergewöhnlicher Umstände“, die lange anhalten, als besonders wichtig erweist und dass gerade bei einer besonders langen Wartezeit infolge der Annullierung eines Fluges sichergestellt werden muss, dass dem Fluggast während der gesamten Wartezeit der Zugang zu den allernötigsten Erzeugnissen und Dienstleistungen möglich ist.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Betreuungspflicht für die Luftfahrtunternehmen zwar finanzielle Folgen hat, diese aber in Anbetracht des beabsichtigten hohen Schutzniveaus für die Fluggäste nicht als unverhältnismäßig angesehen werden können. Die Bedeutung, die diesem Ziel zukommt, kann nämlich negative wirtschaftliche Folgen selbst beträchtlichen Ausmaßes für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen. Im Übrigen müssten die Luftfahrtunternehmen als umsichtige Unternehmer die Kosten, die mit der Erfüllung ihrer Betreuungspflicht verbunden sind, voraussehen. Ferner können sie die durch diese Pflicht verursachten Kosten auf die Flugpreise umlegen.

Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass ein Fluggast, wenn das Luftfahrtunternehmen seiner Betreuungspflicht nicht nachgekommen ist, als Entschädigung nur solche Beträge erstattet bekommen kann, die sich als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um das Versäumnis des Luftfahrtunternehmens auszugleichen, was zu beurteilen Sache des nationalen Gerichts ist.


EuGH, 31.01.2013 - Az: C-12/11

ECLI:EU:C:2013:43

Quelle: PM des EuGH

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