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Reiserücktritt wegen Schweinegrippe (H1N1)?

Reiserecht

In immer mehr Regionen kommt es zu vermehrten Fällen der Schweinegrippe. Reisende, die eine Reise in eine Gegend gebucht haben, die mittlerweile mehrere Fälle oder größere Ausbrüche der Schweinegrippe verzeichnen, stehen nun vor der Frage, ob von der Reise zurückgetreten werden kann und welche Kosten hiermit verbunden sind.

Zu unterscheiden ist zwischen grundlosem Rücktritt des Reisenden vor Reisebeginn und Rücktritt wegen höherer Gewalt.

Der Reisende kann jederzeit grundlos zurücktreten (§ 651i BGB). Der Reiseveranstalter verliert dann zwar seinen Anspruch auf den Reisepreis, kann aber Ersatz für seinen Aufwand verlangen. In der Regel geschieht dies in Form einer Stornopauschale, deren Höhe gestaffelt ist nach dem zwischen Rücktritt und Reisebeginn noch verbleibendem Zeitraum. Die Höhe der Stornopauschale findet sich in den AGB des Reiseveranstalters. Eine Reiserücktrittsversicherung übernimmt diese Pauschale nicht. Diese kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Reisende direkt betroffen ist (z.B. Krankheit des Versicherten).

Will der Reisende vor Reisebeginn wegen höherer Gewalt zurücktreten, so kann der Veranstalter keine Entschädigung verlangen; auch eine etwaige Anzahlung muss er zurückzahlen (651j BGB). Auch eine Epidemie, die nach der Buchung im Reiseland unvorhersehbar auftritt, kann höhere Gewalt sein, die zur Kündigung berechtigt. Voraussetzung ist aber, dass die Durchführung der Reise unmöglich gemacht oder erheblich gefährdet bzw. erschwert wird.

Bei der Schweinegrippe gibt es noch keine gerichtlichen Entscheidungen, wohl aber zu SARS und dem Chikungunya-Fieber, die einen Anhaltspunkt geben können, wie sich ein mit der Sache befasstes Gericht möglicherweise entscheiden könnte:

"1. Bei SARS handelt es sich um eine Epidemie
2. Bei der Frage, ob eine erhebliche Erschwerung, Gefährdung oder Beeinträchtigung der Reise vorliegt, kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Reisenden, sondern auf die objektive Lage im Zeitpunkt der Kündigung an. Dabei dürfen die Voraussetzungen für eine Gefährdung von Leib und Leben des Reisenden im Interesse des berechtigten Sicherheitsbedürfnisses des Urlaubers nicht zu hoch angesetzt werden.
3. Eine schematische Betrachtung, dass mindestens eine Eintreffwahrscheinlichkeit von 25 %
4. Die Warnhinweise des Auswärtigen Amtes sind nur ein Indiz für die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung.

AG Augsburg, 9.11.2004 - Az: 14 C 4608/03"

"Ein Kündigungsgrund wegen höherer Gewalt im Sinne des § 651j BGB lag nicht vor.

Der Klagepartei konnte den ihr obliegenden Nachweis ihrer Behauptung einer erheblichen Gefährdung der Reise nicht führen. Das Gericht stützt sich hierbei auf die Ausführungen des Sachverständigen, der nachvollziehbar und fachkundig zu den Beweisfragen Stellung nimmt und seine Ausführungen durch die dem Gutachten beigefügten Anlagen untermauert. Keine der Parteien hat im Übrigen Einwendungen gegen diese Ausführungen erhoben.

Demnach ist aus sachverständiger Sicht der Verlauf der Erkrankung Chikungunya in der Regel als harmlos einzustufen. Die Erkrankungshäufigkeit an Chikungunya-Fieber ist zudem für Reisende nach Mauritius als extrem niedrig einzuschätzen. Durch allgemein-öffentliche Maßnahmen zum Mückenschutz gerade auf Mauritius ist das Infektionsrisiko stark verringert. Hinzu kommen die sehr effektiven Schutzmöglichkeiten gegen Mückenstiche durch persönliche Maßnahmen. Der Sachverständige verweist auch darauf, dass die Tropeninstitute und die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin nicht von Reisen abraten, sondern (lediglich) auf die Notwendigkeit guter Mückenschutzmaßnahmen hinweisen.

Das Gericht folgt den Darlegungen des Sachverständigen und erachtet auf dieser Grundlage eine erhebliche Gefährdung für Leib und Leben der Kläger im Sinne des § 651j BGB auch unter Berücksichtigung ihres berechtigten Sicherheitsbedürfnisses für nicht gegeben.

Aufgrund des dargelegten Ergebnisses der Beweisaufnahme, insb. der Tatsache der extrem niedrig einzuschätzenden Infektionsgefahr für Reisende und des Umstandes, dass es unter Reisenden noch zu keinen Todesfällen durch die Erkrankung gekommen ist, geht das Gericht auch nicht von einer Verpflichtung der Beklagten zur Aufklärung der Kläger über die mögliche Infektionsgefahr aus.

AG München, 23.10.2007 - Az: 114 C 19795/06".

Eindeutig wäre die Sachlage dann, wenn eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt. Eine allgemein ausgerufene Pandemiestufe genügt indes nicht, wobei wie das Urteil des AG Augsburg zeigt, eine gewisse Eintreffwahrscheinlichkeit für eine Erkrankung (25%) genügt, um einen Fall höherer Gewalt anzunehmen.
Doch auch dann wenn die Sachlage nicht eindeutig ist, sollte eine Kündigung in jedem Fall zunächst mit höherer Gewalt begründet und eine vom Veranstalter geforderte Stornopauschale unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach Klärung der Rechtsfrage durch die Gerichte gezahlt werden. Mit entsprechenden Entscheidungen ist in der nächsten Zeit zu rechnen.

Letzte Änderung: 15.09.2023

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