Reisewerte verjähren erst nach ihrem Abruf

Reiserecht

Kauft ein Verbraucher sog. Reisewerte, verjähren die mit ihnen verbundenen Anrechnungsansprüche regelmäßig nicht binnen 3 Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Reisewerte erworben wurden, sondern erst 3 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Kunde die Reisewerte abgerufen hat. Deswegen kann der Verbraucher die Reisewerte auch über einen Zeitraum von mehr als drei bis vier Jahren "ansparen" und mit ihnen dann z.B. eine aufwändigere Reise finanzieren.

Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der klagende Verbraucherschutzverein aus Stuttgart nimmt die beklagte Firma aus Dortmund und ihre persönlich haftende Gesellschafterin, eine ebenfalls in Dortmund ansässige Firma, in 2 wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten auf Unterlassung in Anspruch.
Die Beklagte betreut sog. Serviceverträge, mit denen Verbraucher gegen ein monatlich gezahltes Serviceentgelt sog. Reisewerte erwerben.
Diese ermöglichen es dem Verbraucher bei einer späteren Reisevermittlung über ein im Vertrag bestimmtes Reisebüro Reiseleistungen, verbunden mit Sonderkonditionen und auch reisebezogene Serviceleistungen, z.B. eine Auslandskrankenversicherung, in Anspruch zu nehmen. Die Reisewerte sind dabei auf den Reisepreis zu verrechnen und können an den Verbraucher nicht in bar zurückgezahlt werden.
Einen derartigen Servicevertrag hatte eine Verbraucherin aus Baden-Württemberg im Jahre 2006 für ein monatliches Serviceentgelt von 75 Euro abgeschlossen. Dieser Kundin übersandte die durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin vertretene Beklagte im Juni 2013 eine Aufstellung über gezahlte Serviceentgelte und erworbene Reisewerte.
In dem Schreiben wies die Beklagte darauf hin, dass die Ansprüche der Kundin auf Anrechnung der Reisewerte binnen 3 Jahren verjährten und die Verjährung am Schluss des Jahres beginne, in dem der jeweilige Reisewert erworben worden sei. Die Aufstellung enthielt zudem die Angabe, welche Einzelwerte aufgrund ihrer Verjährung zum Ende der Jahre 2011 und 2012 vom Reisewertbestand abzuschreiben wären. Diese Angaben zur Verjährung und Abschreibung hält die Klägerin für rechtlich unzulässig und irreführend. Sie verlangt von den Beklagten, derartige Angaben gegenüber Verbrauchern mit derartigen Serviceverträgen zu unterlassen.
Die Unterlassungsklagen der Klägerin waren erfolgreich. Die der geschäftlichen Tätigkeit beider Beklagten zuzurechnende Aufstellung enthalte, so der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm, irreführende Angaben zu den angebotenen Dienstleistungen, hier zum Beginn der Verjährung des Anspruchs des Verbrauchers auf Anrechnung erworbener Reisewerte. Auch die mit diesen Angaben vorgenommenen Abzüge vom Reisewertbestand seien irreführend, weil die Abzüge nicht der materiellen Rechtslage entsprächen. Die Einzelwerte des Verbrauchers verjährten nicht am Schluss des Jahres, in dem sie erworben worden seien. Die Verjährung der von ihnen verkörperten Anrechnungsansprüche beginne vielmehr erst am Schluss des Jahres, in dem ein Verbraucher den Anrechnungsanspruch geltend gemacht habe.
Der Anspruch sei ein sog. verhaltener Anspruch. Das bedeute, dass der verpflichtete Vertragspartner des Verbrauchers die geschuldete Leistung nicht von sich aus erbringen könne, sondern erst leisten dürfe, nachdem sie der Verbraucher verlangt habe. Als Kunde habe der Verbraucher den Anspruch, in Höhe der angesparten Reisewerte von den Kosten einer von ihm ausgesuchten und gebuchten Reise freigestellt werden. Nach den zugrunde liegenden Vereinbarungen und der Interessenlage der Beteiligten werde dieser Anspruch erst fällig, wenn der Kunde eine Anrechnung seiner Reisewerte auf eine konkrete, bereits vermittelte Reise verlange. Dementsprechend beginne der Lauf der Verjährungsfrist erst am Ende des Jahres dieses Leistungsverlangens des Verbrauchers.
Die abweichende, irreführende Darstellung im Schreiben der Beklagten sei auch geschäftlich relevant. Sie sei geeignet, einen Verbraucher, der die drohende Verjährung von Reisewerten vor Augen habe, zu einer dies verhindernden Reisebuchung zu bewegen.


OLG Hamm, 05.04.2016 - Az: 4 U 36/15 und 4 U 138/15

Quelle: PM des OLG Hamm

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