Zusatzkosten für Gepäck im Flieger?

Reiserecht

Die spanische Regelung, die Luftfahrtunternehmen verpflichtet, das aufgegebene Gepäck eines Fluggasts ohne Zusatzkosten mitzubefördern, ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Der für die Beförderung von aufgegebenem Gepäck zu zahlende Preis ist kein unvermeidbarer und vorhersehbarer Bestandteil des Flugpreises, kann aber fakultative Zusatzkosten darstellen.

Die spanischen Rechtsvorschriften untersagen es den Luftfahrtunternehmen, fakultative Zusatzkosten für die Aufgabe des Gepäcks der Fluggäste zu erheben.
Im August 2010 erhöhte die Fluggesellschaft Vueling Airlines den Grundpreis (241,48 Euro) der von Frau Arias Villegas online gekauften vier Flugscheine für den Hin- und Rückflug zwischen La Coruña (Spanien) und Amsterdam (Niederlande) wegen der Aufgabe von zwei Gepäckstücken um 40 Euro. Frau Villegas reichte eine Beschwerde gegen Vueling Airlines ein, da der mit dieser Gesellschaft geschlossene Luftbeförderungsvertrag ihres Erachtens eine missbräuchliche Klausel enthielt. Daraufhin verhängte das Instituto Galego de Consumo de la Xunta de Galicia (Verbraucherinstitut der Autonomen Gemeinschaft Galizien, Spanien) gegen Vueling Airlines eine verwaltungsrechtliche Sanktion in Höhe von 3 000 Euro.
Der mit der Rechtssache befasste Juzgado de lo Contencioso-Administrativo n° 1 de Ourense (Verwaltungsgericht Nr. 1 von Ourense, Spanien) fragt den Gerichtshof, ob die spanischen Rechtsvorschriften mit dem im Unionsrecht verankerten Grundsatz der Preisfreiheit vereinbar sind. Letztlich geht es um die Frage, ob das Unionsrecht das von einigen Luftfahrtunternehmen wie insbesondere den „Low cost“-Fluggesellschaften seit der Liberalisierung des Sektors angewandte Geschäftsmodell in Frage stellen kann.
In seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht den spanischen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen Luftfahrtunternehmen verpflichtet sind, in jedem Fall für den Preis des Flugscheins ohne Zusatzkosten nicht nur den Fluggast zu befördern, sondern auch das von ihm aufgegebene Gepäck.
Der Gerichtshof stellt fest, dass der für die Beförderung des aufgegebenen Gepäcks von Fluggästen zu zahlende Preis kein unvermeidbarer und vorhersehbarer Bestandteil des Preises für den Luftbeförderungsdienst ist. Es kann sich dabei aber im Sinne des Unionsrechts um fakultative Zusatzkosten für einen Dienst handeln, der den Luftbeförderungsdienst ergänzt.
Mit der zunehmenden Verbreitung der Luftverkehrsnutzung haben sich die Geschäftsmodelle der Luftfahrtunternehmen erheblich verändert. So verfolgen heute mehrere Unternehmen ein Geschäftsmodell, das darin besteht, Flugdienste zum günstigsten Preis anzubieten. Im Rahmen dieses Modells sind die Kosten der Gepäckbeförderung als Bestandteil des Preises solcher Flugdienste ein bedeutendes Element. Daher können die betreffenden Luftfahrtunternehmen bestrebt sein, dafür einen Zuschlag zu verlangen. Zudem ist nicht auszuschließen, dass einige Fluggäste es vorziehen, ohne aufgegebenes Gepäck zu reisen, wenn dies den Preis ihres Flugtickets verringert. Die Beförderung von aufgegebenem Gepäck kann demnach nicht als obligatorisch oder unerlässlich für die Beförderung von Fluggästen angesehen werden.
Nicht aufgegebenes Gepäck, d. h. Handgepäck, ist nach Ansicht des Gerichtshofs dagegen grundsätzlich als unverzichtbarer Bestandteil der Beförderung von Fluggästen anzusehen. Für die Beförderung von Handgepäck darf daher kein Zuschlag verlangt werden, sofern sein Gewicht und seine Abmessungen vernünftigen Anforderungen entsprechen und die geltenden Sicherheitsbestimmungen erfüllen. Zwischen der Beförderung von aufgegebenem Gepäck und der Beförderung von Handgepäck bestehen nämlich Unterschiede. Durch die Handhabung und Überwachung des aufgegebenen Gepäcks können für das Luftfahrtunternehmen Zusatzkosten entstehen, was bei der Beförderung von Handgepäck nicht der Fall ist. Zudem haftet das Luftfahrtunternehmen für Schäden an Gepäck strenger, wenn es aufgegeben worden ist.
Der Gerichtshof stellt fest, dass die spanische Regelung den Luftfahrtunternehmen offensichtlich nicht gestattet, für die Beförderung von aufgegebenem Gepäck einen Zuschlag zu verlangen, und damit die freie Preisfestsetzung für die Beförderung von Fluggästen verhindert. Zwar verwehrt es das Unionsrecht den Mitgliedstaaten nicht, einige Aspekte des Luftbeförderungsvertrags insbesondere zum Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Geschäftspraktiken zu reglementieren. Doch darf eine solche nationale Regelung nicht die auf Unionsebene ergangenen Entgeltregelungen in Frage stellen.
Die spanische Regelung verbietet die Festlegung unterschiedlicher Preise in Abhängigkeit davon, ob ein Flugschein die Möglichkeit der Aufgabe von Gepäck umfasst oder nicht. Damit verstößt sie zum einen gegen das Recht der Luftfahrtunternehmen, den für die Beförderung von Fluggästen zu zahlenden Preis und die Bedingungen, unter denen dieser Preis gilt, frei festzulegen. Zum anderen ist sie geeignet, das im Unionsrecht verankerte Ziel eines effektiven Preisvergleichs in Frage zu stellen, weil die von dieser Regelung betroffenen Luftfahrtunternehmen keinen gesonderten Tarif für die Beförderung von aufgegebenem Gepäck ausweisen dürfen, wohl aber Luftfahrtunternehmen, die der Regelung eines anderen Mitgliedstaats unterliegen.
Im Übrigen ist es Sache der nationalen Behörden, gegebenenfalls zu prüfen, ob Vueling Airlines den Informations- und Transparenzpflichten nachkommt, die ihr hinsichtlich der Zusatzkosten obliegen (nämlich dass diese auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden müssen, wobei die Annahme durch den Kunden auf „Opt-in“-Basis erfolgt).


EuGH, 18.09.2014 - Az: C-487/12

Quelle: PM des EuGH

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