Unpünktlichkeit und Ausfall von Zügen

Reiserecht

Unpünktliche Züge sind eher die Regel als die Ausnahme und betreffen Fahrgäste sowohl während der Fahrt, wenn es zu Verzögerungen kommt, als auch vor der Abfahrt – nämlich immer dann, wenn der gebuchte Zug nicht rechtzeitig im Bahnhof ankommt bzw. losfährt.

Wenn der Zug eine Ankunftsverspätung hat

Fällt ein Zug aus oder kommt dieser zu spät und hat dies das Eisenbahnunternehmen zu verantworten, so hat der Reisende grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung in Geld und auf Wunsch in Bargeld, sofern der Erstattungsbetrag 4,00 € übersteigt.

Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung sieht Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 2021/782 vor:
  • Ab 60 Minuten Verspätung am Zielort besteht ein Anspruch auf Erstattung von 25% des Fahrpreises.
  • Ab 120 Minuten Verspätung besteht ein Anspruch auf Erstattung von 50% des Fahrpreises.
Maßgeblich ist der tatsächlich gezahlte Preis für die Fahrkarte für eine Verbindung. Wurde ein Hin- und Rückfahrtticket erworben, so ist der halbe Fahrpreis die Basis für die Berechnung der Entschädigung.

Durch die Entschädigung verliert der Passagier seinen Anspruch auf Beförderung nicht.

Die Zahlung der Entschädigung erfolgt innerhalb von einem Monat nach Einreichung des Antrags auf Entschädigung. Die Entschädigung kann in Form von Gutscheinen und/oder anderen Leistungen erfolgen, sofern deren Bedingungen (insbesondere bezüglich des Gültigkeitszeitraums und des Zielorts) flexibel sind. Die Entschädigung erfolgt auf Wunsch des Fahrgasts in Form eines Geldbetrags.

Der Entschädigungsbetrag darf nicht um Kosten der Finanztransaktion wie Gebühren, Telefonkosten oder Porti gekürzt werden.

Bei mehr als 60 Minuten Verspätung im Schienenpersonenfernverkehr sind den Fahrgästen übrigens kostenlos Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Rahmen anzubieten, wo dies möglich ist.

Entschädigung auch bei höherer Gewalt?

Der Anspruch des Fahrgastes auf Zahlung einer Entschädigung besteht nicht mehr, wenn die Verspätung auf höherer Gewalt beruht. Die Verordnung EG Nr. 2021/782 schließt einen Entschädigungsanspruch für den Fall aus, dass die Verspätung auf höherer Gewalt beruht. Ein gleiches gilt für Fälle, in denen es durch ein Verschulden des Fahrgasts oder das Verhalten eines Dritten zu einer Verspätung oder einem Ausfall kommt.

Der Beförderer ist in diesen Fällen von seiner Entschädigungspflicht nur insoweit befreit, als diese sich auf einen Anspruch der Fahrgäste auf Ersatz des Schadens infolge Verspätung oder Ausfall eines Zuges bezieht.

In solchen Fällen haben Fahrgäste jedoch weiterhin das Recht auf Rückerstattung des vollen Fahrpreises, anderweitige Beförderung und Hilfeleistung

Wann besteht kein Anspruch auf Entschädigung?

Der Fahrgast hat weiterhin keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn er bereits vor dem Kauf der Fahrkarte über eine Verspätung informiert wurde oder wenn bei seiner Ankunft am Zielort eine Verspätung aufgrund der Fortsetzung der Reise mit einem anderen Verkehrsdienst oder mit geänderter Streckenführung weniger als 60 Minuten beträgt.

Was gilt bei Zeitfahrtkarten?

Fahrgäste, die eine Zeitfahrkarte besitzen und denen während der Gültigkeitsdauer ihrer Zeitfahrkarte wiederholt Verspätungen oder Zugausfälle widerfahren, können angemessene Entschädigung gemäß den Entschädigungsbedingungen des Eisenbahnunternehmens verlangen.

Bei Zeitkarten werden insgesamt maximal 25 Prozent des Zeitkartenwertes entschädigt.

Ab einer Ankunftsverspätung von 60 Minuten beträgt die Entschädigung für Zeitkarten im Regionalverkehr 1,50 € in der zweiten Klasse und 2,25 € in der ersten Klasse.

Bei Zeitkarten im Fernverkehr beträgt die Entschädigung 5,00 € in der zweiten Klasse und 7,50 € in der ersten Klasse.

Was gilt bei der Bahncard 100?

Auch Inhaber der Bahncard 100 erhalten ab einer Verspätung von 60 Minuten eine pauschale Entschädigung in Höhe von 10,00 € für die zweite Klasse und in Höhe von 15,00 € für die erste Klasse.

Die jährliche Erstattung ist jedoch auf 25% des Kaufpreises der Bahncard 100 gedeckelt.

Was gilt bei einer absehbaren Verspätung?

Muss vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass bei Ankunft am Zielort gemäß Beförderungsvertrag die Verspätung mehr als 60 Minuten betragen wird, so hat der Fahrgast unverzüglich die Wahl zwischen ...
  • der Erstattung des vollen Fahrpreises unter den Bedingungen, zu denen er entrichtet wurde, für den Teil oder die Teile der Fahrt, die nicht durchgeführt wurden, und für den Teil oder die Teile, die bereits durchgeführt wurden, wenn die Fahrt nach den ursprünglichen Reiseplänen des Fahrgasts sinnlos geworden ist, gegebenenfalls zusammen mit einer Rückfahrt zum ersten Ausgangspunkt bei nächster Gelegenheit.
  • der Fortsetzung der Fahrt oder der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort bei nächster Gelegenheit
  • der Fortsetzung der Fahrt oder der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort zu einem späteren Zeitpunkt nach Wahl des Fahrgasts.

Fortsetzung der Reise

Bei absehbaren Verspätungen von mehr als 60 Minuten kann der Reisende sich auch dafür entscheiden, die Reise fortzusetzen - und zwar bei nächster Gelegenheit oder zu einem anderen Zeitpunkt seiner Wahl. Hierzu kommt jede andere vergleichbare Verbindung in Betracht.

Für die Umbuchung entstehen dem Fahrgast keine zusätzlichen Kosten. Dies gilt auch dann, wenn die Weiterreise mit geänderter Streckenführung die Beförderung in einer höheren Klasse sowie die Benutzung alternativer Verkehrsmittel einschließt.

Seitens der Eisenbahnunternehmen sind angemessene Bemühungen zu unternehmen, um zusätzliches Umsteigen zu vermeiden und sicherzustellen, dass Verlängerungen der Gesamtreisezeit möglichst kurz sind.

Fahrgäste dürfen nur dann auf Verkehrsmittel in einer niedrigeren Klasse herabgestuft werden, wenn diese die einzige anderweitige Beförderungsmöglichkeit darstellen.

Die Umbuchung kann auch auf ein anderes Unternehmen - jedoch nur auf andere öffentliche Verkehrsdienste - erfolgen.

Der Reisende hat zudem das Recht die Weiterreise selber zu organisieren und die entstandenen Kosten dann beim Bahnunternehmen geltend zu machen. Hierzu ist die Zustimmung des Unternehmens einzuholen.

Eine Zustimmung ist nicht erforderlich, wenn nicht innerhalb von 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit, dem verpassten Anschluss oder ausgefallenen Verkehrsdienst vom Bahnunternehmen eine Alternative zur Weiterreise mitgeteilt wurde.

Der Fahrgast ist in diesem Fall berechtigt, einen solchen Vertrag mit anderen Anbietern öffentlicher Verkehrsdienste mit der Eisenbahn, dem Reisebus oder dem Bus zu schließen. Das Eisenbahnunternehmen erstattet dem Fahrgast die dadurch entstandenen notwendigen, angemessenen und zumutbaren Kosten.

Was gilt beim Nahverkehr?

Im Nahverkehr (Reiseweite von weniger als 50 km bzw. Reisezeit unter einer Stunde), gelten besondere Regelungen. Sofern absehbar ist, dass ein Fahrgast mit einer Nahverkehrsfahrkarte sein Ziel mit einer Verspätung von mindestens 20 Minuten erreichen wird, weil ein Zug ausgefallen oder unpünktlich ist, so darf ein anderer Zug - auch ein Fernverkehrszug - genutzt werden.

Die Benutzung eines reservierungspflichtigen Zuges oder eines Zuges, der eine Sonderfahrt durchführt, kann jedoch nicht verlangt werden.

Wann darf sich ein Taxi genommen werden?

Fällt die fahrplanmäßige Ankunftszeit in die Zeit zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr, kann bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten auch ein Taxi genutzt werden, wenn keine preisgünstigeren öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, um den Zielort zu erreichen.

Auch bei Ausfall des letzten fahrplanmäßigen Zuges des Tages kann der Fahrgast auf ein Taxi umsteigen, wenn der Zielort ohne die Nutzung des anderen Verkehrsmittels nicht mehr bis um 24.00 Uhr erreicht werden kann.

In beiden Fällen ist es erforderlich, dass kein anderes Verkehrsmittel vom Eisenbahnunternehmen zur Verfügung gestellt wurde und der Fahrgast aus das Unternehmen aus von diesem zu vertretenden Gründen nicht kontaktieren konnte.

Stellt das Eisenbahnunternehmen dem Kunden ein anderes Verkehrsmittel zur Verfügung, so hat dessen Nutzung grundsätzlich Vorrang vor einer selbst organisierten Alternative.

Der Erstattungsanspruch ist auf einen Betrag von 80 € begrenzt.

Der Aufwendungsersatzanspruch für die Nutzung anderer Verkehrsmittel steht dem Fahrgast nicht zu, wenn das Eisenbahnunternehmen unter Anwendung aller gebotenen Sorgfalt weder das Ereignis noch dessen Folgen abwenden konnte und dies für den Fahrgast offensichtlich war oder der Fahrgast hierüber rechtzeitig informiert wurde.

Innerhalb der Geltungsdauer einer Bahncard 100 werden für Aufwendungen bei Taxi-/PKW-Weiterreise in Summe maximal 25% des gezahlten Bahncard 100-Preises erstattet.

Wann besteht Anspruch auf eine Übernachtung?

Ist wegen eines Zugausfalls oder einer -verspätung eine Fortsetzung der Fahrt am selben Tag nicht möglich oder ist die Fortsetzung der Fahrt am selben Tag nicht zumutbar, werden dem Kunden angemessene Übernachtungskosten ersetzt, wenn das Eisenbahnunternehmen keine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung stellt und der Kunde mit dem Eisenbahnunternehmen aus von diesem zu vertretenden Gründen nicht in Kontakt treten kann.

Stellt das Eisenbahnunternehmen dem Kunden ein anderes Verkehrsmittel oder eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung, so hat dessen/deren Nutzung grundsätzlich Vorrang vor einer selbst organisierten Alternative.

Letzte Änderung: 13.06.2023

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